Blutritt Weingarten 2013

09./10.05.2013

Seit über 900 Jahren wird im oberschwäbischen Weingarten die Heilig-Blut-Reliquie verehrt, in der nach der Überlieferung ein Blutstropfen von Jesus Christus aufbewahrt wird. Diese Reliquie wird am Freitag nach Christi Himmelfahrt, am sog. Blutfreitag, in Europas größten Reiterprozession, dem Blutritt, durch Stadt und Fluren getragen. Der Blutritt wurde 1529 erstmals schriftlich erwähnt und traditionell dürfen nur Männer als Reiter teilnehmen.

Aus dem malerisch gelegenen Städtchen Weingarten (24.000 Einwohner, nördlich von Ravensburg gelegen) ragt schon von Weitem die imposante, im Jahr 1724 geweihte Basilika St. Martin hervor. Die Kirche ist mit einer Kuppelhöhe von 67 Metern und einer Länge von 102 Metern das größte barocke Kirchenbauwerk in Deutschland und nördlich der Alpen.

Während es am Christi Himmelfahrt tagsüber noch frühlingshafte Temperaturen mit Sonnenschein pur gab, setzte bereits abends das berüchtigte "Blutfreitags-Wetter" ein und von da an regnete es während des gesamten Blutritts ohne Unterlass. Doch wer glaubt, dass sich dadurch die Stimmung der Beteiligten auch nur im geringsten hätte trüben lassen, liegt völlig falsch - wirklich ein jeder war freundlichst und ganz besonders stolz, bei diesem einzigartigen Brauchtum live mit dabei sein zu können.

Die Blutfreitags-Feierlichkeiten beginnen eigentlich schon am Vorabend, wenn Tausende von Pilgern nach einem Festgottesdienst (gg. 21.30 Uhr) von der Basilika in einer Lichterprozession betend und singend durch die illuminierte Stadt hinauf zum Kreuzberg ziehen. Die auf der historischen Postkarte aus dem Jahr 1915 abgebildete Lichterprozession gibt es seit 1890.

Die Reiterprozession, an der jährlich ca. 3.000 Reiter teilnehmen (in diesem Jahr waren es 101 Gruppen), ist ein prachtvolles Glaubensbekenntnis Oberschwabens mit Pferden, Reitern, Musikkapellen, Pfarrherrn, Ministranten und je nach Wetter zig-Tausenden Besuchern. Sie alle kommen zum Blutfreitag nach Weingarten, um dieses einmalige Ereignis mitzuerleben und um den Segen des Heiligen Blutes für Haus, Hof und Felder zu erbitten. Im eigentlichen Begleitheft werden zahlreiche Personen namentlich erwähnt, die bereits zum 50., 60. und gar 65. Male an der Prozession dabei sind.

Um vier Uhr früh versammeln sich die Blutreiter in der Basilika zur Gemeinschaftsmesse. Die ganze Nacht über kommen immer wieder Berittene aus den verschiedenen Richtungen und stellen sich im hinteren Klosterhof oder in der Unterstadt auf.

Um 6.15 Uhr lässt die "Gloriosa" ihre dunkle Stimme erschallen. Eine Schar von Ministranten mit Kerzen und Fahnen, drei Männer, welche die große, samtene, mit Goldblech beschlagene Heilig-Blut-Fahne an drei Stangen halten, und ein weiterer mit einer vierten Stange (der die Fahne jedes Mal auffängt, wenn sie sich, z.B. wegen der Portale, senken muss), der Pfarrer von St. Martin, ein Mönch der Benediktinerabtei, in einem schweren, rotgold bestickten, barock anmutenden Ornat des 19. Jahrhunderts zusammen mit seinen Assistenten und dem Konvent, ziehen zum Heilig-Blut-Altar, wo die Reliquie herausgenommen, vom goldbestickten roten Kissen entfernt und mit ihr der Segen erteilt wird.

Unter dem Gesang des im Kirchenschiff aufgestellten Basilika-Chors begeben sich alle zum westlichen Kirchenportal, wo schon der Heilig-Blut-Reiter, ein Benediktinermönch, hoch zu Ross mit seiner Begleitung wartet, um die Reliquie in Empfang zu nehmen. Das Heilig-Blut, eingearbeitet in ein mit Edelsteinen besetztes Kreuz, wird vom Heilig-Blut-Reiter mitgeführt, der den Segen des Heiligen Blutes für Haus, Hof und Felder spendet. Der Heilig-Blut-Reiter begibt sich sodann durch den Hof der Pädagogischen Hochschule auf den hinteren Platz, um Ross und Reiter zu segnen.

Die Spitze der Reiterprozession setzt sich sodann mit der ersten Gruppe in Bewegung. Um diese Zeit warten schon die Honoratioren auf dem Balkon des Rathauses. Zu ihnen zählen gewöhnlich: ein Minister der Landesregierung von Baden-Württemberg, der Regierungspräsident von Südwürttemberg-Hohenzollern, der Landrat, der Oberbürgermeister, der Abt von Weingarten und der kirchliche Ehrengast.

Die Front des Rathauses und die des gegenüber stehenden Amtshauses sind mit Emblemen geziert, die auf das Heilige Blut hinweisen. Am Rathaus ist noch eine Tribüne für ehemalige Heilig-Blut-Reiter aufgebaut. Nun beginnt die ca. 3-stündige Prozession, die ziemlich schnell die Stadt verlässt über Feld und Flur führt und annähernd 10 Kilometer absolviert:

Vielen Musikkapellen, bisweilen bis zu 60 an der Zahl, die bunten Standarten, die verschiedenfarbigen Pferde, die Uniformen der Bürgergarden und -wehren, die als geschlossene Blut-Reiter-Gruppen mitreiten, die Ministranten - alles zusammen ist eine Manifestation oberschwäbischen Volkstums und ein Zeugnis der Volksfrömmigkeit. Vor dem Ritt durch die Felder entfernen sich die Musikkapellen.

Wenn die Heilig-Blut-Reiter durch die Felder ziehen, beten sie den Rosenkranz. Das Gebet wird unterbrochen, wenn der Blut-Reiter-Pater viermal während des Rittes vom Pferd steigt, die Anfänge der Evangelien singt und den Segen mit der Heilig-Blut-Reliquie erteilt. Jedes Mal, wenn es geschieht, läutet auch die Hosanna. Während der Prozession zieht die Prozession auch an vier Altären vorbei.

Um 11 Uhr schließlich erfolgte der Empfang der Heilig-Blut-Reliquie im äußeren Klosterhof mit dem Schluss-Segen und Te Deum.

Mein herzlichster Dank gilt all den Pilgern und Reitern, die mich trotz Regenschirm und Kamera stets freundlichst agieren ließen. Und Lob und Dank sei auch allen Organisatoren und Teilnehmern, die dieses einzigartige Brauchtum so gut bewahren.

zur Homepage der Blutfreitagsgemeinschaft Weingarten e.V.