Tübinger Stocherkahnrennen 2013

30.05.2013

Die Fachschaft Sport entschied das gestrige Stocherkahnrennen wieder mal mit einem souveränen Start-Ziel-Sieg. Letzter wurde die akademische Verbindung Cheruskia – und verweigerte den Lebertran.

Die achtköpfige Besatzung bewältigte bei dem Rennen am Donnerstagnachmittag den 2,5 Kilometer langen Rundkurs um die Tübinger Neckarinsel am schnellsten. Sie setzte sich damit gegen 54 Konkurrenzmannschaften durch. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Sportwissenschaftler das Rennen für sich entschieden.

Versenkt den Kahn!", riefen im Chor jene, die sich da mit ihren Booten rund um das unterhalb der Neckarfront festgemachte Floß drängten. Dort standen, als eine im Vorjahr eingeführte Neuerung, die Ausrichter und der Kommentator des diesjährigen Rennens. Dort wurden die Sieger geehrt und dort mussten die Verlierer, die katholische Akademische Verbindung Cheruskia, ihren Lebertran trinken. Doch genau das taten sie nicht, sondern schütteten den von dunkelbraun bishellgelb changierenden "Medizinalen Dorschlebertran" in den Neckar. "Unfassbar", sagte Maximilian Brunner von der ausrichtenden Landsmannschaft Schottland. "Das ist einfach keine Art."

Die Verlierer fühlten sich, wie sie sagten, unfair behandelt, weil die Jury sie zuvor bereits "wegen unsportlichen Verhaltens" disqualifiziert hatte. Während des Rennens steuerten sie weit vom Hauptfeld abgeschlagen völlig entspannt durchs so genannte Nadelöhr unterhalb der Neckarbrücke, weil dort die restlichen 54 Kähne schon durch waren. "Die wollten absichtlich verlieren", sagte Ansager Thomas Waldschmidt. "Ein Rennen so zu konterkarieren, kann ja nicht Sinn der Sache sein."

Der Start gestaltete sich gegen 14 Uhr schwierig und hätte um ein Haar ganz abgesagt werden müssen. 75 Zentimeter hoch war der Pegel des Neckars gestern Morgen bei Horb, 80 Zentimeter ist die zulässige Obergrenze. "Da haben wir Glück gehabt", sagte Maximilian Brunner vom Organisationsteam. Die Strömung war dennoch stark, so dass die Zuschauer am Start unterhalb der Freibadbrücke bereits einen guten Eindruck davon bekamen, wie es später am Nadelöhr zugehen würde.

Da ging bereits mancher baden, andere kämpften mit der Botanik, Kähne wurden abgetrieben, stellten sich quer. Entsprechend chaotisch verlief der Start. Einem entglitt die Stange, andere schrammten am Ufer entlang. Die Fachschaft Sport zog davon und war längst ums Nadelöhr, als es dort so richtig eng wurde. "Wir machen so lange weiter, bis wir besiegt werden", sagte Simon Baumhauer vom Sportlerkahn, als er den Siegerpott, samt Freibier- und Spanferkelgutschein, entgegen nahm.

Nachdem die Cheruskia disqualifiziert worden war, hätten eigentlich die Vorletzten, die Alte Straßburger Burschenschaft Arminia, als nachgerückte Verlierer an die Trankrüge müssen. Doch deren Kahn soff kurz vor dem Ziel ab. Die Besatzung sprang ins kalte Wasser und trug das Boot über die Linie. Weil sie völlig durchgefroren waren, wurde ihnen der Tran erlassen. Aber kommendes Jahr sind sie mit der Ausrichtung des Rennens dran.

Als einzige kippten schließlich die Stocherkahnfahrer der Verbindung Normannia jeweils einen halben Liter Tran - zur Strafe, weil sie unter der Neckarbrücke auf der falschen Seite ausgestiegen waren, um nachzuhelfen.

Das Tübinger Stocherkahnrennen wird seit 1956 ausgetragen. Zunächst war es nur für Burschenschaftskähne zugelassen. Erst Jahre später durften auch Fachschaften, Vereine und private Stocherer mitmachen. Heuer waren 55 Kähne und damit einer mehr als voriges Jahr am Start, der unterhalb der Freibadbrücke war. Von dort geht es neckarabwärts bis zur Eberhardsbrücke, wo sich die Kähne zwei Mal durch die Engstelle am Brückenpfeiler, das so genannte Nadelöhr zwängen müssen. Von dort geht es dann flußaufwärts. Ziel ist die Spitze der Neckarinsel.

Dieser Artikel entstammt dem "Schwäbischen Tagblatt" vom 31. Mai 2013