Berlin 2011: 50 Jahre Mauerbau - 12.-15. August 2011

Sie sind von meterhohem Unkraut überwuchert, haben Rost angesetzt oder ragen sperrig und nutzlos aus alten Backsteinwänden heraus: Es erfordert heutzutage fast schon detektivisches Gespür, noch Reste der Mauer zu entdecken. Die Rede ist nicht von solch prominenten Teilen wie der Easy Side Gallery, den Gedenkstreifen an der Bernauer Straße oder den Schaustücken auf dem Potsdamer Platz. Vielmehr geht es um Teile und Teilchen der einstigen Grenzanlagen, die noch überall in der Stadt von dem einst 161 km langen Todesstreifen übrig sind. Der ehemalige Verlauf der Berliner Mauer ist im Bereich Brandenburger Tor/Potsdamer Platz/Checkpoint Charlie und vielen weiteren, markanten Stellen auf dem Boden mit einer doppelten Pflastersteinreihe und Bronzetafeln „Berliner Mauer 1961–1989“ markiert.

Irgendwie eine besondere Stimmung anlässlich des 50sten Jahrestags der Berliner Mauer um den 13. August 2011 herum: Spurensucher in der ganzen Stadt unterwegs, Militär-Motorrad-Konvoi am Checkpoint Charlie, Erkundung des Mauerwegs mit Wachturm und Mauerspuren beim ehemaligen Grenzübergang Invalidenstraße, wo damals die Mauer den Friedhof teilte. >Zwischen Brandenburger Tor, Bundestag und dem Holocaust-Denkmal der obligatorische Touristen-Rummel - hingegen am 13.8.11 an der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Strasse der eigentliche Festakt zu diesem ganz besonderen Tag: Pünktlich um 10 Uhr trafen sich die Spitzen des Staates - u.a. Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher sowie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

Die eindringlichste Festrednerin dieses Tages war aber die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier. Sie war selbst Gefangene im Stasi-Knast Hohenschönhausen und schilderte die „schier endlosen Demütigungen durch das Wachpersonal“. Kein Verständnis zeigte Bürgermeister Wowereit in seiner Rede denjenigen, die dem DDR-Unrechtsstaat irgend etwas Positives abgewannen. Tatsächlich erschreckend, wie plötzlich die Ostalgie einen Boom erlebt!

Die Gedenkstätte Berliner Mauer ist der zentrale Erinnerungsort an die deutsche Teilung, welche am 13.8.1998 aus Mauer-Original-Bestandteilen an diesem geschichtlich so interessanten Punkt in der Bernauer Straße künstlerisch ins Leben gerufen worden war. Seither wird die Gedenkstätte laufend erweitert, am 9. November 2000 mit der Einweihung der neuen Kapelle der Versöhnung (die alte wurde bekanntlich 1985 von der DDR gesprengt), dem Anbau eines Aussichtsturms 2003 oder jetzt 2011 einer umfassenden Erweiterung, u.a. dem "Fenster des Gedenkens". Das Fenster des Gedenkens erinnert an die Menschen, die an der Mauer bei einem Fluchtversuch oder im Zusammenhang mit dem Grenzregime erschossen wurden oder tödlich verunglückten. Auf dem Fenster sind die Portraits der Toten, ihre Namen und Daten zu sehen.

Eigens wegen des 50sten Jahrestags der Mauer gab's am Bahnhof Friedrichstraße eine Foto-Ausstellung mit Einblicken in die totale Überwachung durch das DDR-Regimes einst an dieser Stelle, am Checkpoint Charlie eine von Alexandra Hildebrandt organisierte Gedenkveranstaltung mit Fluchthelfern oder die Besichtigungs-Möglichkeit eines der letzten drei Wachtürmen überhaupt am "Schlesischen Busch". Zwischen dem ehemaligem Reichstag und dem Brandenburger Tor erinnern die Kreuze an die Mauertoten - Menschen, die eigentlich nichts mehr als ihre Freiheit wollten.

Das 1884 erbaute Reichstagsgebäude beherbergte bis 1918 den Reichstag des Deutschen Kaiserreichs und anschließend das Parlament der Weimarer Republik. Durch den Reichstagsbrand 1933 und die Folgen des zweiten Weltkriegs stark zerstört, wurde das markante Gebäude neu aufgebaut und erhielt 1999 sogar wieder eine Kuppel. Nochmals zum Bahnhof Friedrichstraße: dieser glich einer wahren Festung, mit ober- und unterirdischen Labyrinthen, überwacht durch 140 Videokameras sowie Wachpersonal an allen Ecken und Enden! Auch wenn sie auf der "falschen" Seite bepinselt ist, bildet die 1990 von 118 Künstlern aus 21 Ländern bemalte East Side Gallery einen ganz besonderen Besuchermagnet, findet man doch hier noch mehr als einen Kilometer Berliner Mauer an einem Stück. Das Alliierten-Museum in Berlin-Zehlendorf hebt nochmals die Wichtigkeit der Westmächte (USA, Großbritannien und Frankreich) während dieser Zeit des "kalten Krieges" hervor. Ohne die einjährige Berliner Luftbrücke 1948/1949 mit fast 280.000 Rosinenbomber-Lieferungen gäbe es nämlich "das" Berlin schon lange nicht mehr.