Juli 2013

Höchste Zeit mal wieder für eine Geschichtsstunde mit topaktuellem Bezug - nämlich dem Weiler, wo gerade die vor Jahren durch ein Fahrzeug beschädigte Sandstein-Mauer am Haupteingang fachmännisch repariert wurde. Der Owinger Friedhof, in der Umgangssprache als "Weiler" betitelt, besticht durch seine einzigartige Lage: außerhalb des Dorfes gelegen im früheren Oberowingen, malerisch im Eyachtale an dem Flüsslein Eyach - und mit der wunderschönen, romanischen Weiler Kirche aus dem 11. Jahrhundert. Hier finden sich tatsächlich noch Zeitzeugen aus den vergangenen Jahrhunderten und sicherlich birgt das Weiler noch jede Menge Geheimnisse. So wie erst kürzlich, als die beschädigte Friedhofsmauer am Eingangstor sorgfältigst abgetragen wurde - und dabei ein sehr altes Grabmal einer Klosterfrau namens Magdalena Wiest per Zufall aus der Mauer heraus geborgen werden konnte.

Förmlich in die Mauer verbaut, war dieser sehr schöne Stein (Bild Nr. 47 - das letzte Bild unten rechts) von Magdalena Wiest, die von 1790 bis 1827 Klosterfrau in Gruol war und am 23.4.1830 verstarb. Weil die Fotografie erst um 1900 salonfähig wurde, finden wir die ersten Bilder auch erst aus dieser Zeit. Dabei konzentrierten sich die wenigen Fotografen natürlich vornehmlich auf Städte und verliefen sich eher selten in winzige Orte wie Owingen. Und dort galt ihr Interesse natürlich auch nur den "Hauptsehenswürdigkeiten", die sie sodann auf Postkarten in kleiner Auflage bannten. Diesen Fotografen sind die Postkarten in der ersten Reihe aus den Jahren 1899 und 1900 zu verdanken: auf allen Karten die Weiler Kirche mit dem typischen Dachreiter, den sie so bis 1913 trug sowie zahlreichen umgebenden Grabsteinen.

Es existieren nur sehr wenige Fotografien vom Friedhof aus privater Hand, viele der Bilder aus den ersten Reihen sind aus einem Fotoalbum von Pfarrer Riegger, der von 1919 bis 1959 volle 40 Jahre Pfarrer in Owingen war. Die Hochformat-Fotografien mit den Einzelgräbern von Reihe 3 und 4 entstammen dem Fotoalbum von Fredy Schmocker. Begeisternd die Schönheit und Individualität dieser alten Grabsteine aus dem vorigen Jahrhundert - aber auch jammerschade, dass uns davon fast nichts mehr erhalten blieb. Es sind nur noch ein paar ganz wenige, die man hauptsächlich in der hinteren Ecke des alten Friedhofteils Richtung Eyach findet - und jeder Einzelne dieser Steine ist ein Stück Geschichte.

Sehr markant die bis zum heutigen Tag existenten Grabsteine von "Fräulein Geis" (1887-1962), das Grabmal der Bildhauer-Familie Jakob Sickinger (1815-1877), von Pfarrer Buchmüller, einem stehenden Herrgott, das Familien-Grabmal von Konrad (1751-1821) und Magdalena Braun (1754-1813) sowie Hochwürden Anton Reiner (1795-1858). All diesen Sandstein-Zeitzeugen ist gemein, dass an ihnen durch die stetigen Witterungseinflüsse der Zahn der Zeit nagt, und sie damit förmlich mit einem "Verfallsdatum" versehen sind. Ebenfalls unseren Vorfahren verdanken wir ein in Heftform verfasstes Sterberegister, welches im Jahre 1823 von Engelbert Braun angefangen und seither über Generationen hinweg fortgeführt wurde. Und das bis zum heutigen Tage durch Lore Hebrank vom Gasthaus "Linde" - echt klasse! Ursprünglich wurden die Verstorbenen im "Weiler" beerdigt, bis der Friedhof im Jahr 1706 zu der damals neu erbauten Dorfkirche St. Jakobus verlagert wurde. Aus Platzmangel mussten ab 1823 alle Verstorbenen wieder auf dem Weiler Friedhof begraben werden, was bis heute so geblieben ist. Nur ungetaufte Kinder und Selbstmörder kamen während dieser Unterbrechung ins Weiler.

Die ersten Verstorbenen in dem oben erwähnten Sterberegister sind namentlich mit Sterbedatum:

  • Anton Hebrank, alt Schütz - 17. Okt. 1823
  • Urschula Neher von Hausen am Tann - 25. Nov. 1823
  • Johann Kost, Kirchenkrämer - 31. Dez. 1823
  • Christina Wannenmacher - ?? 1824
  • Pelagia Stifel - 6. Apr. 1824
  • Christian Henne, Schwager - 9. Apr. 1824
  • Christina Stimmler, Schmid - 11. Apr. 1824
  • Dominikus Welte - 12. Juni 1824 (von Erlaheim - fuhr in das Wasser bei der Kelter Wies und ertrank)
  • Anton Schick, Roseles Doni - 11. Nov. 1824
  • Christina Huber, Krämer - 12. Dez. 1824
  • Maria Stoll, Severs Weib - 14. Dez. 1824
  • Josef Henne - 21. Dez. 1824
  • Barbara Hebrank, ledig - 31. Dez. 1824
Zwischenzeitlich ist die Sandsteinmauer am Weiler-Haupteingang wieder auf Vordermann und sieht richtig gut aus. Die Tore werden sicherlich die nächsten Wochen folgen und dann bleibt zu hoffen, dass der nächste "Rammbock" Jahrzehnte auf sich warten lässt! Wobei es sich da womöglich wie mit den Jahrhunder-Hochwassern verhalten könnte - die nämlich plötzlich und über Nacht auftreten.